Offener Brief zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare
Eine Stellungnahme des Pastoralteams der Pfarrgemeinden
St. Irmgardis Rees, St. Georg Haldern und St. Quirinus Millingen
Während bereits materielle Gegenstände wie z.B. Motorräder oder anlässlich einer Wallfahrt Dackel in Kevelaer gesegnet werden, wird aktuell in der Öffentlichkeit und in der katholischen Kirche darüber diskutiert, ob auch homo- oder transsexuelle Paare gesegnet werden dürfen.
Vorab möchten wir dazu einen kurzen Blick auf die Lebenssituation von hetero-,homo-, inter- und transsexuellen Menschen in unserer Bundesrepublik richten.
Der Anteil der homosexuellen Menschen an der Gesamtbevölkerung wird auf drei bis 10% geschätzt. Die Angaben hierzu schwanken sehr stark, da Menschen immer noch Nachteile oder gar Ausgrenzung in der Gesellschaft befürchten, wenn sie sich offen zu ihrer Homosexualität bekennen. Im vergangenen Jahrhundert waren ganze Gruppen wie Frauen, Menschen anderer Hautfarbe und homosexuelle Menschen auch in der deutschen Zivilgesellschaft Diskriminierungen, rechtlicher Ungleichstellung oder gar Strafverfolgung ausgesetzt.Mittlerweile existiert durch entsprechende Gesetzgebung längst u.a. eine Gleichstellung von Mann und Frau und seit kurzem auch endlich von hetero- und homosexuellen Menschen.
Ein weiteres positives Beispiel der gesellschaftlichen Veränderung im Sinne der Selbstbestimmung und anerkannter sexueller Vielfalt ist der Beschluss des Bundestages vom 30. Juni 2017, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen. Längst leben und arbeiten Menschen unterschiedlichster sexueller Orientierung in unserer demokratischen, aufgeklärten, weltoffenen und progressiven Gesellschaft friedlich und zufrieden in Wohlstand miteinander. Aus diesem Grund ist der deutsche Pass einer der begehrtesten der Welt.
Anders ist jedoch leider noch die heutige Situation in der katholischen Kirche.Hier wird in der offiziellen Lehre die Homosexualität weiterhin negativ bewertet:Der Katechismus sagt zum Beispiel aus, dass Homosexuellen "mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen" ist (KKK 2358).
Weiterhin wird ausgeführt:„Von der Schöpfungsordnung und vom Schöpfungsauftrag Gottes an Mann und Frau her kann Homosexualität nicht als eine der Heterosexualität gleichwertige sexuelle Prägung angesehen werden. Der eigentliche Raum der vollen Geschlechts-gemeinschaft ist nach dem Verständnis der Bibel die Ehe zwischen Mann und Frau, und die Keimzelle der menschlichen Gesellschaft ist die Ehe.“
Das Ausleben der Sexualität ist nach katholischem Verständnis nur der Ehe vorbehalten. Nicht die homosexuelle Neigung an sich wird verurteilt, jedoch gilt ihr Ausleben als Sünde, als „in sich nicht in Ordnung“. Homosexuelle Handlungen können „keinesfalls in irgendeiner Weise gutgeheißen werden“, so lautete eine Erklärung der vatikanischen Glaubenskongregation von 1975.
Aufgrund dieser Einstellung verlassen kontinuierlich zahlreiche vor allem hetero- und homosexuelle Katholik*innen ihre Kirche, dabei empfanden sie diesen Schritt teilweise befreiend, aber auch mit Wehmut, weil sie ihre geistige Heimat verloren haben.
In Fragen der Sexualmoral und Bewertung der Homosexualität ist die Weltkirche und die Kirche in Deutschland heute tief gespalten. Die so genannten Traditionalisten fordern mit Blick auf die Einheit der katholischen Kirche ein Festhalten an der vom Lehramt vorgegebenen Linie, die die gelebte Sexualität nur in der Ehe erlaubt, wobei diese auf Offenheit für Zeugung ausgerichtet sein muss.Aktuelle Reformbewegungen in unserer Kirche, wie der Synodale Weg, ein offenes Diskussionsforum von Bischöfen und Laien, ringen auch um eine Reform der kirchlichen Sexualmoral. Einigkeit der Teilnehmer*innen besteht lediglich darin, dass Sexualität eine Schöpfungsgabe Gottes ist und in Liebe gestaltet werden soll. Aktuelle Bedeutung erhält das Thema durch ein Schreiben aus dem Vatikan von Mitte März. Darin heißt es, die katholische Kirche habe keine Vollmacht, gleichgeschlechtliche Beziehungen zu segnen.
Nach intensiver und kontrovers geführter Diskussion in unserem Pastoralteam, wünscht sich unser Team mehrheitlich – wie viele andere - eine Reform der katholischen Sexualmoral.
Dabei soll sich diese an der Lebenswirklichkeit in unserem Kulturraum orientieren und von der Erfahrung und den Empfindungen aller Menschen mitgeprägt werden. Diese Sexualmoral soll die selbstbestimmte sexuelle Orientierung eines jeden Menschen respektieren, dies gilt auch als Menschenrecht. Wenn sich unsere Kirche als Anwältin der Menschenrechte begreift, muss sie ihre bisherige Sexualmoral ändern. Die Kirche soll die Zeichen der Zeit erkennen und die unterschiedliche sexuelle Orientierung von Menschen anerkennen.
Darum setzen wir uns auch zumindest für die feierliche Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren ein.
Denn eine kirchliche Praxis, die die Würde von Menschen verletzt, diskriminiert und Wunden reißt, entspricht nicht dem Evangelium Jesu.
Wenn nach unserem Gottesbild die Liebe ein wesentlicher Ausdruck Gottes ist, sollte man allen aufrichtig liebenden Paaren den Segen Gottes gewähren. Ansonsten verliert unsere katholische Kirche auch in diesem Bereich immer weiter an Wert und Glaubwürdigkeit.